Strassenhund welpe adoptierenWir fanden ihn im Alter von etwa zwei Wochen zusammen mit seinen Wurfgeschwistern. Die Welpen waren mit Benzin übergossen, in eine Plastiktüte gepfercht und nachts in den Abflusskanal geworfen worden. Das Benzin sollte wohl verhindern, dass die Mutter ihre Welpen wiederfindet.

Alle fünf konnten überleben, da der Kanal trocken war und wir sie am nächsten Morgen wimmern hörten. Meine Nachbarn hatten jeder schon einen Welpen adoptiert. Ich nahm den letzten zu mir und nannte ihn Willi.

Er war nicht nur der erste Welpe, den ich großziehen durfte. Willi war auch der allererste richtige Strassenhund in meinem Leben. Ich war total aufgeregt und glücklich. Natürlich war ich bereit, alles zu tun, damit Willi ein gesunder, kräftiger Hund werden konnte.

Ich versorgte diesen Welpen, wie mein eigenes Kind

Da er für feste Nahrung noch zu klein war, habe ich Willi mit der Flasche großgezogen. Jede Nacht bin ich zweimal aufgestanden, weil er raus wollte. Denn Strassenhunde beschmutzen ihr Lager nicht. Willi hat nie ins Haus gemacht. Tagsüber habe ich ihn nicht aus den Augen gelassen. Er war ja so winzig, gerade mal so groß, wie meine Handfläche. Meist habe ich ihn einfach im Sarong eingewickelt mit mir rumgetragen.

Selbst als er schon laufen konnte habe ich ihn auf diese Art mit zum Einkaufen, in Restaurants oder an den Strand mitgeschleppt. Er war mein kleiner Liebling und ich freute mich, wenn er glücklich war.

Der aggressive Strassenhund zeigte mir, wie Leben wirklich geht

Zum damaligen Zeitpunkt dachte ich wirklich, ich kenne mich mit Hunden aus. Schliesslich hatte ich in Deutschland bereits professionelle Weiterbildungen besucht, Bücher gelesen und etliche Hunde selber trainiert. Aber Willi, mein süßer kleiner Strassenhund wurde zusehends aggressiver. Er hat mich im zarten Alter von 8 Wochen eines besseren belehrt und mir gezeigt, dass Strassenhunde anders ticken!

Beim ersten Spaziergang habe ich begriffen, dass meine Gefühle nicht erwidert wurden

Mit 8 Wochen habe ich Willi zum ersten mal auf einen Spaziergang mitgenommen. Es war so schön, mein kleiner Welpe folgte mir auf Schritt und Tritt. Ich habe mich richtig wie seine Hundemama gefühlt und genau aufgepasst, wo wir hinliefen.
Ich mußte vorsichtig sein, denn Bali ist keine saubere Insel. Überall liegt Müll herum, Kekse aus den Opferschalen oder Plastiktüten mit Essensresten. Normalerweise ernähren sich die freilebenden Strassenhunde von diesem Müll.

Auch Willi hat irgendwo am Strassenrand einen alten abgenagten Hühnerknochen ergattert. Als ich ihm diesen vergammelten Knochen abnehmen wollte, hat er gnadenlos aggressiv in meinen Finger gebissen. Das war deutlich! Mit Erschrecken stellte ich fest, dass mein Strassenhund-Welpe aggressive Tendenzen entwickelt.

War das der Dank, dass ich ihm das Leben gerettet hatte?

Ich konnte es nicht fassen. Dieser kleine Dreikäsehoch, der kaum selber laufen konnte. Dem ich das Leben gerettet und meinen Schlaf geopfert habe. Für den ich bereit war, alles zu tun und zu geben... wird aggressiv und beisst mich. Ich habe die Welt nicht mehr verstanden. Ganz tief drinnen hatte ich eigentlich eine Art Dankbarkeit erwartet. Also, dass der winzige Strassenhund Willi zu mir eine freundschaftliche Bindung aufbaut, wie naiv von mir. Meine Enttäuschung war so groß, dass ich in diesem Moment weder denken noch handeln konnte. Ich bin nach Hause gegangen um meine Hand zu verbinden und mein gebrochenes Herz zu trösten... Während Willi fröhlich neben mir her sprang, als wäre nichts geschehen.

Meine wichtigste Lektion: Strassenhunde wollen nichts als überleben. Die Gefühle der Menschen interessieren sie nicht. Auch mein Willi war weit davon entfernt, mir durch besonders nettes Verhalten für all meine Mühen zu danken.

Weitere Bisse folgten, und ich begann zu begreifen

Strassenhund BaliKurz danach hat Willi mich erneut gebissen. Ich wollte Futter in seine Schüssel nachfüllen. Da hat er voll zugeschnappt... die Hand, die ihn füttert. Es war mir eine Lehre. Ich habe mich künftig von seinem Futter oder fressbaren Dingen tunlichst ferngehalten. Später gab es nur noch einen Beissunfall. Als Willi 2 Jahre alt war ist er in eine Glasscherbe getreten und ich wollte seine Wunde versorgen. Es war ein NoGo. Ich musste darauf vertrauen, dass seine Selbstheilungskräfte die Heilung übernahmen.

Ansonsten war Willi ein richtig guter Hund. Es gab keine Probleme. Ich liebte ihn, und wir hatten eine tolle Zeit zusammen. Leider wurde er nur vier Jahre alt. Ein Giftköder, die in Bali überall gegen Ratten ausliegen, wurde sein Verhängnis. Er starb auf dem Weg zum Veterinär...

Dieser Strassenhund hat meine Einstellung zu Hunden geändert

Es gab damals viele wilde Strassenhunde in meinem Viertel. Niemand hat sich an sie herangetraut. Besonders nachts waren sie unberechenbar und haben Menschen auf Fahrrädern und Motorrädern angegriffen. Auch Willi's Bruder, den meine Nachbarin adoptiert hatte, war hoch aggressiv. Ich kannte so etwas nicht. In Deutschland gab es zwar auch aggressive Hunde, aber nicht in dieser Form.
Logisch, unsere Hunde waren ja bereits genetisch verändert. Die wildesten Urinstinkte wurden bei der Zucht heraus selektiert. Sie waren das Zusammenleben mit Menschen gewöhnt und mussten nicht mehr um ihr Überleben kämpfen.

Ich begann, mich für das Verhalten der Strassenhunde zu interessieren, besonders für die aggressiven. Gab es eine Chance, ihr Vertrauen zu gewinnen, sie zu sozialisieren?

Ich habe all meine Hundebücher über Bord geworfen

Ich merkte schnell, dass mir die kultivierten, europäischen Theorien über Hunde in Bali nicht weiterhalfen. Ich wollte diese Tiere kennenlernen und nahm noch 7 Strassenhunde bei mir auf. Wir lebten einfach friedlich unter einem Dach.
Gleichzeitig schloß ich mich mit Tierärzten und anderen Helfern zusammen, um mehr streunenden Strassenhunden zu helfen. Ich konnte unmöglich alle zu mir nehmen. Die Tierärzte spendeten Medikamente und behandelten die Hunde zum Selbstkostenpreis. Wir anderen brachten ihnen Futter und ich trainierte sie. Damit konnten diese Hunde in Familien vermittelt werden.
Durch das aufkommende Internet habe ich Kevin Behan gefunden. Der Experte für aggressive Hunde. Mittels seiner Erkenntnisse, war es mir endlich möglich, auch die aggressiven Strassenhunde zu sozialisieren und ihr Vertrauen zu gewinnen.

Den Strassenhunden in Bali verdanke ich alles, was ich heute weiss und bin. Diese Hunde sind mein Leben und meine Liebe, denn es ist mir gelungen in ihre Herzen zu schauen. Ich vermisse jeden einzelnen von ihnen.
Heute weiss ich, mein wirkliches Leben begann mit einem Welpen in einer Plastiktüte... Danke Willi, ich schulde dir alles.

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Ja, will ich haben

 

Wie du im Urlaub auf Strassenhunde reagierst, ihnen hilfst oder dich schützen kannst, erfährst du in diesem Bericht: Strassenhunden im Ausland helfen

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Antje HebelAntje Hebel

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